Manipulation

Definition

Bei der Manipulation (latein. Zusammensetzung aus manus “Hand” und plere “füllen”; wörtlich “eine Handvoll (haben), etwas in der Hand haben”) werden die beweglichen Elemente (z.B. Stifte, Scheiben, etc.), die das Öffnen des Schlosses verhindern, mittels geeignetem Werkzeug derart manipuliert, dass die sperrende Wirkung aller Elemente beseitigt wird und sich das Schloss öffnen lässt.

Anatomie eines Schlosses

schematischer Aufbau (Toool, Deviant Ollam) Die essentiellen Komponenten eines Zylinderschlosses sind

  • Stiftfedern (engl. “springs”),
  • Gehäusestifte (engl. “driver pins”),
  • Kernstifte (engl. “key pins”),
  • der Kern (engl. “core”; auch “plug” genannt)
  • und das Gehäuse (engl. “housing”) von dem alles zusammengehalten wird.
Die Lücke zwischen dem Kern und dem Gehäuse wird Scherlinie (engl. “shear line”) genannt. Sowohl im Gehäuse als auch dem Kern befinden sich Bohrungen, die so genannten Kammern (engl. “chambers”), in denen sich jeweils Feder, Gehäusestift und Kernstift befinden.

Schlüssel gibt Scherlinie frei (Toool, Deviant Ollam) Im verschlossenen Zustand ragen die Gehäusestifte vom Gehäuse in den Kern hinein, blockieren somit die Scherlinie und hindern den Kern sich zu drehen.
Wird nun ein Schlüssel in das Schloss eingeführt “fragen” die Kernstifte die Einschnitte vom Schlüssel ab und verschieben die Gehäusestifte nach oben.
Der korrekte Schlüssel verschiebt mit seinen Einschnitten in allen Kammern die Trennfuge zwischen den Gehäusestiften und den Kernstiften auf die Höhe der Scherlinie, so dass sich der Schlüssel und somit auch der Kern drehen kann.
Um das Schloss ohne den dazugehörigen Schlüssel und zerstörungsfrei zu öffnen verwendet der Lockpicker z.B. die Technik der Manipulation.

Willkommen in der Realen Welt

ein idealer Zylinderkern (Toool, Deviant Ollam) Um zu verstehen, warum das mit der Manipulation überhaupt funktioniert kann schauen wir uns z.B. den Kern eines Zylinderschlosses einmal genauer an:
Bei einem idealen Zylinderkern (siehe Bild rechts) sind alle gefertigten Bohrungen exakt kreisrund, haben alle einen identischen Durchmesser, befinden sich im gleichen Abstand zueinander und liegen auf einer geraden Linie in der Mitte des Zylinderkernes. Um das zu erreichen sind in der Fertigung keinerlei Toleranzen erlaubt, jede Maschine, die an der Produktion beteiligt ist muß absolut exakt arbeiten.
So ist der Zylinderkern auf dem Zeichenbrett ursprünglich entworfen worden, die Realität sieht aber ganz anders aus.

ein realer Zylinderkern (Toool, Deviant Ollam) In der realen Welt sind zwei gleiche Dinge nie absolut identisch, denn es kommt in der Fertigung von Gegenständen immer zu Toleranzen.
Auf unseren Zylinderkern (siehe Bild links) übertragen sieht das wie folgt aus: keine Bohrung gleicht der anderen in Form und Durchmesser und auch die Positionen der Bohrungen sind eher oberhalb oder unterhalb der Mitte als auf einer geraden Linie.
Das ist in dem linken Bild übertrieben dargestellt, aber bei Betrachtung eines reellen Zylinderkernes mit der Lupe oder gar dem Mikroskop kommt genau das zum Vorschein.
Diese Fertigungstoleranzen macht sich der Lockpicker zu Nutze.

Die Theorie der Manipulation

“single-pin picking” (Toool, Deviant Ollam) Ein Gehäusestift wird durch die auf den Kern angewandte Spannung eingeklemmt und es wirken Reibkräfte. Dieser “gebundene Stift” (engl. “binding pin”) muss mit dem Tastwerkzeug gefunden werden. Ist der entsprechende Stift identifiziert wird nun mit Druck durch einem Haken die Reibkraft überwunden, bis der Stift die Scherlinie erreicht. An dieser Stelle entfällt die Bindung an diesem Gehäusestift, und es wirkt auf ihn nur noch die Federkraft. Die Federkraft ist im Vergleich zu der Reibkraft sehr gering und wirkt auch nur auf einem sehr kurzen Weg zwischen etwa 0,1 und 0,3 mm. Einen Stift, der sich so verhält, bezeichnet man als gesetzt. Wird der Stift über diesen Punkt hinaus gedrückt werden, berührt der Kernstift das Gehäuse und erzeugt eine um ein Vielfaches größere “Kontaktkraft”.

Die Techniken

Beim Manipulieren von z.B. Schlössern mit Stiftzuhaltungen werden nachfolgende Techniken hauptsächlich angewendet:

  • Beim Setzen (auch SPP bzw. “single-pin picking” genannt) werden die Stifte einzeln bewegt, um diese zu “setzen”. Der Kern des Schließzylinder wird während diesen Vorgangs unter leichter Vorspannung gehalten damit der so korrekt gesetzte Stift in dieser Position hängenbleibt. Das hierfür verwendete Werkzeug wird als Haken (engl. Hook) bezeichnet.
  • Das Harken (engl. “raking”) ist eine unberechenbare und zufällige Art des Öffnens von Schlössern, deren Zweck darin besteht, so viele Stifte wie möglich in kürzester Zeit zu manipulieren. Es gibt es drei Hauptstile:
    • Das Reißen (engl. “zipping”) erfolgt zum Beispiel mit einem Haken, der von hinten nach vorne über die Stifte gezogen wird. Neben den erforderlichen Übung, um nicht zu viel aber auch nicht zu wenig Vorspannung auf den Kern zu geben, spielt bei dieser Methode der Zufall eine große Rolle. Häufig wird mit dieser Methode der Kern in Kipp gebracht und dann mit Setzen weiterverfahren bis das Schloss offen ist. Diese Technik wird als “Anreißen und Nachsetzen” bezeichnet.
    • Das Schrubben (engl. “scrubbing”) ähnelt dem Harken, jedoch wird das Pickwerkzeug zusätzlich zur Bewegung von hinten nach vorne auch von vorne nach hinten geschoben. Diese Bewegung wird ähnlich einer Säge-Bewegung mehrfach hintereinander ausgeführt. Auch hier ist für einen Erfolg Übung für die richtige Vorspannung und Zufall erforderlich.
    • Das Schaukeln (engl. “rocking”) ist eine sehr einfache Methode, bei der sich der Winkel des Werkzeugs innerhalb des Schließkanals kontinuierlich ändert, um die Stifte zur Scherlinie anzuheben. Die Technik kann mit dem Schrubben kombiniert werden

Das Werkzeug

Der Spanner (engl. “tesion wrench”) wird benötigt um den Kern auf “Spannung” zu bringen - in Rotation zu versetzen bis die Stiftzuhaltungen diese Bewegung blockieren - und bei erfolgreichem Manipulieren der Stiftzuhaltungen das Schloss zu Öffnen (siehe Animation “single-pin picking”). Grundsätzliche Formen sind die klassische L-Form (linkes Bild), S-Form mit zwei Enden (ohne Bild) oder die flache Bar-Form (rechtes Bild) mit der man den Spanner mittig am Kern ansetzt.
Tip: Spanner in L- oder S-Form lassen sich aus den Federschienen von KFZ-Scheibenwischer ganzeinfach selbst herstellen. Hierzu arbeitet man beim biegen des Federstahls am Besten mit zwei Kombizangen. Beim nächsten Scheibenwischerwechsel also unbedingt dran denken. 😉

Der Haken (engl. “hook”) zählt als das Standardwerkzeug zum einzelnen Setzen von Stiften (Pins), die gebogene Form ermöglicht es die Stifte zu drücken ohne die davorliegenenden Stifte zu betätigen. Die verfügbaren Haken-Formen sind zahlreich und unterscheiden sich in der Regel über den Radius bzw. Länge der Spitze und die Höhe des Schaftes.

Die Schlange (engl. “snake”) wird in der Regel zum Harken verwendet. Durch die geschwungene Form werden im Idealfall gleich mehrere Stifte betätigt. Auch die Schlange gibt es in diversen unterschiedlichen Ausführungen und Größen, welche letztenende alle die geschlängelte Form am Ende gemeinsam haben.

Beim Six Mountain (auch Mountain Six, City Rake, L-Rake usw. genannt) wird durch die Form eine weite Variation von unterschiedlichen Höhen abgedeckt um dem Zufall beim Harken auf die Sprünge zu helfen. Lustiger Weise ist mir für diesen Pick keine geläufige deutschsprachige Bezeichnung bekannt. Schickt mir bitte eine Mitteilung wenn Ihr einen Namen dafür habt.

Der Halb-Diamant (engl. “half diamond”) kann wie ein Haken verwendet werden, kann die Stifte allerdings nicht so tief setzen wie ein Haken ohne andere Stifte zu bewegen. Des Weiteren zählt auch Harken zu den Anwendungsgebieten.
Tip: Der Halb-Diamant wird wegen seiner geraden Unterseite auch gerne zum Zählen der Stifte verwendet. Bei dieser Technik wird das Werkzeug umgekehrt in den Schließkanal eingeführt, alle Stifte heruntergedrückt und anschliessend langsam herausgezogen. Die nun hörbaren “Klicks” werden von den unter Federspannung stehenden Stiften erzeugt.

Eine Mischung aus dem klassischen Haken und dem geraden Halb-Diamanten ergibt den Dental-Haken (engl. “dental hook”; auch “DeForest diamond” genannt). Dier Pick soll das Beste aus beiden Welten vereinen. Mit ihm kann man Stifte einzeln setzen ohne andere Stifte zu berühren aber auch Harken, vorausgesetzt das Profil des Schließkanals bietet genügend Platz.

Der Schneemann (engl. “snowman”; auch “double ball” genannt) bzw. der Schneeball (engl. “snowball”) - der kleine Bruder mit nur einer Kugel - ist eigentlich in jedem Pickset zu finden aber für Schlösser mit Stiftzuhaltungen gänzlich ungeeignet. Das Einsatzgebiet dieser Picks sind Schlösser mit Scheibenzuhaltungen, wie z.B. Briefkastenschlösser oder Geldkasetten.